Wenn Starre zur Norm wird: Ein etwas anderer Blick auf Functional Freeze

13.01.2025

Gespräche der letzten Tage haben mich wieder verstärkt über einen Zustand nachdenken lassen, den ich vielleicht öfter ansprechen sollte: Functional Freeze (FF).

FF tritt ein, wenn unser Nervensystem durch Schocks, Trauma oder Dauerstress in den Überlebensmodus schaltet – und dabei die Optionen "Kampf" oder "Flucht" nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der Mensch bleibt in einer subtilen Starre gefangen, in der er zwar noch funktioniert, aber seine Lebenskraft, Kreativität und Freude nach und nach verloren gehen.

Functional Freeze: Eine unsichtbare Epidemie

Betrachten wir unser eigenes Leben – oder das der Menschen um uns herum – mit diesem Wissen, wird schnell klar: Fast alle von uns befinden sich in einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Zustand von FF. Man könnte behaupten, die letzten vier Jahre mit all ihren Krisen hätten diesen Zustand verschärft. Doch die Wurzeln reichen viel tiefer. Schon vor Jahrhunderten erkannte der Wissenschaftler Dr. Julius Hensel, dass das Nervensystem ein Schlüssel zur Gesundheit ist. Er bezeichnete den Vagusnerv als "den großen Nerv, an dem alles Leben hängt".

Dr. Julius Hensel sprach schon im 19. Jh von diesen Dingen, doch er gab ihnen andere Namen. Im ventral vagalen Zustand befindet sich der Mensch in bester Gesundheit. Um diese aufrecht zu erhalten braucht er drei Dinge: Sauerstoff, Nährstoffe und ein gut funktionierendes Nervensystem.

Hensel hatte den Klarblick - schon damals.

Er sprach kritisch über das Düngen mit Gülle in der Landwirtschaft und schlug Steinmehl als Dünger vor, weil die Ammonisierung der Böden den Pflanzen Mineralien entziehe. Damit kam er dem gerade aufkommenden Kunstdünger-Trend in der dahinter stehenden Industrie in die Quere. Seine Bücher wurden vom Markt genommen, sein Ruf ruiniert und sein Leben endete in einer Misere.

Dr. Julius Hensel erkannte schon damals, dass die "moderne Zivilisation" daraufhin steuerte, dem Menschen das Leben vermeintlich leichter, aber den Erhalt seiner Gesundheit schwerer zu machen.

Wenn Sauerstoff, Mineralstoffe und ein gut funktionierender Vagus und ein flexibles Nervensystem die Mittel zur Erhaltung guter Gesundheit sind, dann darf man eng geschnürte Korsette für Frauen, Stöckelschuhe, push up BHs und vieles andere aus einem ganz anderen Gesichtspunkt heraus in Frage stellen - und das ist nur ein minimaler Ausschnitt der Tatsachen.

Selbst die DAK schreibt in einem Beitrag zum Thema Gebärmuttersenkung, dass neueste Forschungen auf einen Zusammenhang mit einem erstarrten Zwerchfell und dem dadurch verkrampften PsoasMuskel hindeuten!

Die Zusammenhänge zwischen Functional Freeze und den von Hensel beschriebenen Gesundheitsaspekten sind sehr deutlich, und die Tatsache, dass der Wissenschaftler zur Zeit des ersten Resets mundtot gemacht wurde spricht für sich.

Betrachte ich mich selbst - jetzt und zurück in der Zeit - und die Menschen, denen ich begegne, so sehe ich niemanden im ventral vagalen Zustand. Das kommt sicher nicht von ungefähr …

Functional Freeze und "das System"

Zum einen leben wir in einem System, das es gezielt darauf anlegt, das Nervensystem der Menschen zu attackieren um eine TraumaAntwort und damit chronischen Stress hervorzurufen. Dieser führt irgendwann dazu, dass das NS in FF abrutscht und dort hängenbleibt. Der Mensch funktioniert noch gut genug, um im System seine Dienste zu tun, doch ihm gehen Freude, Lebenskraft und Kreativität (und Lebensjahre) verloren.

Er bleibt so in einem Dauerzustand von subtiler Erstarrung hängen - und das krasse dabei ist, er merkt es meistens gar nicht. Nicht, weil er doof ist oder unbewusst - nein - weil er es nicht anders kennt!

Von Beginn an, wird das NS mit Eindrücken bombardiert, denen es im Grunde gar nicht gewachsen ist. Dieses feine System, das so hochsensibel justiert sein kann (wenn man es lässt), das feinste Wahrnehmungen hat und auf die leisesten Schwingungen und Energien reagiert, ohne dass wir es spüren … dieses hypersensible Netzwerk von neuronalen Verlinkungen, das durch unseren Körper strömt und den feinsten Hauch von Veränderung aufnehmen kann, wenn es im entspannten Zustand ist … dieses System wird in diese Welt geworfen in der es vom ersten Moment an mit so viel Stress geflutet wird, dass der Überlebensmodus zur Normalität wird.

Wir lernen schnell damit umzugehen und Mechanismen zu entwickeln, die uns am Leben erhalten, und wenn man Glück hat, sind die Eltern von gutem deutschen Schlag, sodass man früh lernt, "sich nicht so anzustellen", "durch die Hose zu atmen" oder sich "zusammen zu reißen".

Wenn Verluste, emotional schwierige Situationen in unserem Leben uns in Zustände von Trauer und Schwere führen, dann ist das absolut menschlich und "normal", wenn sie uns in Sinnkrisen und an den Rande der Existenz bringen, weil wir in Tiefen abgleiten, die uns zu verschlucken drohen, dann bedeutet das, dass unser Nervensystem seine Fähigkeit der Regulation verloren hat. Kriechen wir aus diesen Tiefs heraus, schaffen wir es meist nicht ans Licht, sondern bleiben in einer Starre hängen ... fast unmerklich.

Wir gewöhnen uns so sehr an diesen Zustand der leisen Erstarrung, dass wir einerseits lernen, damit zu leben doch gleichzeitig immer subtil das Gefühl haben, mit angezogener Handbremse durchs Leben zu töffen und uns wundern, warum Erfolg ausbleibt und unser Bankkonto so steif ist, wie unser Hüftgelenk.

Functional Freeze und die letzten vier Jahre

Als ob dies nicht genug wäre, kommen nun die letzten vier Jahre noch obendrauf. Sie haben wie ein Katalysator auf unser Nervensystem gewirkt und viele Menschen tief in den Functional Freeze geführt. Ständige Unsicherheiten, widersprüchliche Informationen, soziale Isolation und eine allgegenwärtige Atmosphäre von Angst und Kontrolle haben das Nervensystem kollektiv in den Überlebensmodus versetzt. 

Maßnahmen wie Lockdowns, Maskenpflicht und die Einschränkungen körperlicher Nähe haben nicht nur unsere sozialen Verbindungen belastet, sondern auch die natürliche Regulation des Nervensystems gestört, die durch Gemeinschaft und körperliche Interaktion entsteht. Der dauerhafte Zustand von Hypervigilanz (dauerhafte Überreiztheit), begleitet von einem Gefühl der Ohnmacht, hat viele Menschen in eine subtile, oft unbemerkte Starre versetzt. Die Fähigkeit, sich sicher, verbunden und lebendig zu fühlen, wurde systematisch geschwächt – ein Zustand, der durch die Normalisierung dieser Umstände tief in die Gesellschaft eingebrannt wurde. 

Dieser Zustand, in dem das Nervensystem in einer subtilen Erstarrung verharrt, begünstigt Depressionen erheblich – ein Trend, der sich in den explodierenden Statistiken psychischer Erkrankungen weltweit zeigt. Die Statistiken sprechen Bände...  die Auffälligkeiten von psychischen Störungen bei Kindern zwischen 7 und 17 war in Deutschland bis 2022 auf über 30% gestiegen, heute leidet jeder dritte Mensch zwischen 5 und 24 unter einem "chronisch depressiven Zustand" - und das sind nur die diagnostizierten Fälle.

Ein Leben im Überlebensmodus

Der Zustand von Functional Freeze ist heimtückisch, weil er sich schnell normal anfühlt. Wir gewöhnen uns daran, in diesem Zustand zu leben, unter anderem weil uns Vergleichspunkte fehlen, die uns zeigen, wie es anders sein könnte. Dabei führt FF oft zu unauffälligen, aber langfristig destruktiven Auswirkungen, wie z.B. körperliche Beschwerden, emotionale Instabilität und mentale/emotionale Erschöpfung, wie bereits in diesem Beitrag eingehend diskutiert.

Einige Beispiele, wie die moderne Welt die Erstarrung zur Norm gemacht hat:

Chronische Erschöpfung und Burnout
Viele Menschen leben im ständigen Zustand der Überforderung, ohne sich Pausen zu erlauben. Der Körper funktioniert noch – doch das Leben fühlt sich mechanisch an. Freude und Begeisterung werden durch eine Art emotionalen Nebel ersetzt.

Unfähigkeit, wirklich zu entspannen
Selbst in der Freizeit "erholen" sich viele Menschen durch Bildschirme oder andere Ablenkungen, die das Nervensystem weiter stimulieren, statt es zu beruhigen. Der Zustand der Anspannung bleibt unterschwellig bestehen.

Emotionale Abgestumpftheit
Manche Menschen spüren kaum noch starke Gefühle – weder Freude noch Trauer. Dies ist ein typisches Zeichen für FF. Die emotionale Lebendigkeit ist einer sicheren, aber leeren Routine gewichen.

Mangelnde Kreativität und Lebensenergie
Wenn der FF-Modus dominiert, fällt es schwer, neue Ideen zu entwickeln oder sich auf spannende Projekte einzulassen. Alles fühlt sich wie ein "Muss" an, statt wie ein freudiges "Kann". Fliesst die Kreativität in Momenten, kann es sein, dass das NS gleich wieder zumacht, weil sich bei dem Gedanken an die Umsetzung wieder ein Gefühl der Überforderung einstellt.

Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen
Ein dysreguliertes Nervensystem macht es schwer, tiefgehende Verbindungen zu anderen aufzubauen. Es fehlt an Empathie und Verständnis für den anderen, umso leichter werden Urteile gefällt und bewertet. Konflikte werden vermieden oder eskalieren und eine wahrhaftige Begegnung mit dem anderen findet nicht statt.

Zurück in den Fluss des Lebens

Der Fluss ist alles, das wusste schon Hensel. Er zeigte auf, dass Sauerstoffmangel der Hauptgrund für die Schwindsucht ist und diese geheilt werden kann durch Bewegung (Vagus) und dass der Mensch rege bleiben muss, um seine Gesundheit aufrecht zu erhalten - und zwar auf allen Ebenen, weil das Innen das Außen spiegelt, und umgekehrt. Fluss bedeutet, dass Elektrizität fliesst in uns, dass die Neuronen aus allen Rohren feuern und unsere Lebensgeister lachen und jubilieren, und zwar ganz egal, was im Außen ist.

Das System, in dem wir leben, profitiert davon, uns in einem Zustand des Functional Freeze zu halten. Ein erstarrtes Nervensystem ist leichter manipulierbar, funktional genug, um zu "arbeiten", aber zu erschöpft, um sich zu wehren oder kreativ auszubrechen. Doch die Wahrheit ist: Der Weg aus dieser Starre liegt in unseren eigenen Händen.

Gewahrsein ist der erste Schritt. Indem wir anerkennen, dass wir vielleicht selbst in einem Zustand von FF leben und beginnen, uns damit auseinandersetzen, öffnen wir die Tür zur Veränderung. Es bedeutet, ehrlich hinzuschauen, ohne Urteil, und die Muster zu erkennen, die uns festhalten. Es bedeutet auch, Mitgefühl für uns selbst zu entwickeln, denn es geht nicht darum, das System zu bekämpfen, sondern darum, unser eigenes Nervensystem zu stärken und aus dem Kreislauf auszubrechen. Wenn wir lernen, unser inneres Gleichgewicht wiederherzustellen, werden wir zu einer kraftvollen Welle, die auch andere inspiriert, ihren eigenen Fluss zu finden.

Denn letztlich ist es unsere Verantwortung - und unsere Freiheit -, uns selbst zu ermächtigen und in den Zustand zu kommen, in dem das Leben in uns und um uns herum wieder fließt. Eine kleine Entscheidung nach der anderen bringt uns zurück zu dem, was Hensel als Kern der Gesundheit beschrieb: ein freies, atmendes, lebendiges Sein.

Wie der Weg aus diesen Zustand zurück in den Fluss ausschauen kann, ist individuell verschieden und doch gibt es einige Hinweisschilder, die für uns alle gültig sein können - egal, welches Alter, denn trauma-informiertes Wissen kann in absolut jeden Bereich des Lebens implentiert werden.

Wenn du deine eigene Situation in einem sicheren, warmen Raum besprechen möchtest, dann ist vielleicht ein Impulsgespräch ein guter erster Schritt für dich. Oder du kannst deine Fragen zum nächsten OPEN HOUSE Event mitbringen und mir dort im Rahmen eines offenen Austauschs mit anderen Neugierigen stellen. Ich freue mich, dich hier oder/und dort zu treffen!