Von der neuen Sanftheit, die uns heilt und in die Neue Zeit trägt

24.02.2025

Schon von dem Moment an, als die Hebamme mich im Kreissaal an den Füssen packte, über Kopf baumelte und mir auf den Rücken schlug, damit ich endlich den ersten Atemzug nehmen sollte nachdem mir bis Minuten zuvor noch die doppelt gewickelte Nabelschnur um den Hals die Luft genommen hatte, war ich vollends bedient von der "deutschen Härte". Als ich nicht mehr anders konnte, und wahrscheinlich voller Entrüstung endlich zu plärren begann, sagte sie zu meiner Mutter, "es ist ein kleines, wütendes Mädchen". 

Ja, mein Eintritt in dieses Theater hätte durchaus sanfter sein dürfen - und meine Kindheit sicherlich auch. Doch letztlich haben mich diese Erfahrungen zu der Empathin gemacht, die ich heute bin und eigentlich schon immer war, und obwohl ich dadurch die fast unvermeidbaren schmerzhaften Erfahrungen mit Narzissten, für die Empathen eine gefundenes Sonntagsmahl sind, machen musste, möchte ich nicht anders sein. Wahrscheinlich ist das genau der Grund, warum ich in der somatischen Trauma-informierten Arbeit mein Zuhause gefunden habe.

Hier habe ich einen Rahmen für meine wahre Natur gefunden, und ein Fundament, auf dem sich mein sensibles Herz wohlfühlt - ein wissenschaftlich fundiertes noch dazu. Dieses neu gewonnene Fundament gibt mir den Antrieb, mich Themen zu widmen, die brisant, kritisch und vielleicht für manche auch herausfordernd sein mögen. Doch, ohne, dass wir uns selbst fordern, erweitern wir nie unseren Horizont und geben uns selbst die Möglichkeit, über unser altes Ich hinaus zu wachsen.

Deshalb möchte ich heute kurz ein Thema beleuchten, dass mir aus vielerlei Gründen extrem wichtig ist:

Wir leben in einem System, das Trauma und Burnout normalisiert, und das muss aufhören!

Immer stärker fällt mir in Sitzungen und Gesprächen auf, wie krass konditioniert wir von diesem gesellschaftlichen System sind, damit wir Hinweise auf Trauma oder Burnout gar nicht erst richtig einordnen, oder generell sehr spät auf der Zeitlinie erfassen.

Die Strukturen, in denen wir leben – von Wirtschaft über Bildung bis hin zu sozialen Normen – sind oft so gestaltet, dass sie Menschen in einem Zustand ständiger Anspannung, Leistungsdruck und Selbstoptimierung halten. Dabei passiert Folgendes:

Chronischer Stress wird als "normal" angesehen:

  • Hohe Belastung wird oft als Zeichen von Erfolg, Ehrgeiz oder "Stärke" gewertet.
  • Erschöpfung wird romantisiert ("Hustle Culture" – wer müde ist, "arbeitet hart genug").

Trauma wird unsichtbar gemacht:

  • Statt zu erkennen, dass viele unserer Reaktionen (z. B. Angst, Rückzug, Überanpassung) traumatische Wurzeln haben, werden sie oft als Schwäche, Unfähigkeit oder Charakterschwäche dargestellt.

Burnout wird umetikettiert:

  • Symptome wie emotionale Erschöpfung, Antriebslosigkeit oder kognitive Einschränkungen werden häufig als "vorübergehende Erschöpfung" oder "Motivationsproblem" verharmlost.

Konditionierung durch gesellschaftliche Narrative:

  • Aussagen wie "Reiß dich zusammen", "Das Leben ist kein Wunschkonzert" oder "Du musst nur positiv denken" drücken Menschen tiefer in die Anpassung, statt Raum für Heilung zu schaffen.

🔍  In all diesen Bereichen werden wissenschaftlich erwiesene TraumaFolgen verharmlost und Betroffene in die Verantwortung für etwas in die Verantwortung gerufen, dessen Opfer sie eigentlich sind, und dazu noch mit Scham und Schuld beladen, damit sie sich noch richtig Scheiße fühlen sollen, weil sie kein "voll funktionierender Teil" dieser Gesellschaft mehr sind.

"Wie du scrollst die halbe Nacht auf Insta?"
👉 Dabei ist erwiesen, dass Blaulicht das Gehirn beeinflusst und zu Abhängigkeit führt.

"Warum liest du deine Nachrichten nicht?"
👉 Nachrichten zu ignorieren ist ein typisches Anzeichen von NS-Dysregulation als Folge von Überforderung und Stress.

"Warum starrst du immer so Löcher in die Luft wenn ich dich was frage?"
👉 Überforderung und ein Gehirn, das mit post-Trauma Symptomen kämpft machen sowas.

Und so viele mehr ...
👉 einen Satz 5 mal lesen und ihn noch immer nicht verstehen ...
👉 im geparkten Wagen sitzen und nicht ins Geschäft wollen ...
👉 Pizza bestellen, weil der Gedanke an Kochen total überfordert ...
👉 nicht entscheiden können, was man anziehen soll ...
👉 schlafen wollen, aber nicht können ...
... die Liste ist lang.

All dies sind Anzeichen einer Dysregulation des Nervensystems, die NICHT normal und auch keine Schwäche oder Zeichen einer "schlechten Einstellung zum Leben" ist.

In einer Gesellschaft, in der Burnout zum guten Ton gehört und TRAUMA ein missbrauchtes Modewort geworden ist (was sicherlich kein Zufall ist) braucht es BEWUSSTHEIT, um sich von soziokulturellen Konditionierungen zu distanzieren, die sowieso nur der Pharmaindustrie und im weiteren Sinne dem System dienen.

Letzteres konditioniert uns dazu, die Folgen von Trauma zu ignorieren oder umzudeuten – bis wir den Schmerz nicht mehr als Warnsignal erkennen und den Bezug zu unserem Körper ganz verlieren.

Nach vier Jahren in dieser Show gibt es kaum jemanden, dessen Nervensystem nicht angeschlagen ist und auf die vielfältigen Angriffe von Außen und Innen reagiert. Bei niemandem sind die letzten Jahre in den Klamotten hängengeblieben!

Umso wichtiger ist es, dass wir uns daran erinnern, dass der Weg ins Goldene Zeitalter über die Dekonditionierung hin zur wahrhaftigen MENSCHLICHKEIT führt 💛

Gerade deshalb ist es jetzt an der Zeit, einen neuen Umgang miteinander zu finden – einen, der von Sanftheit, Mitgefühl und echter Präsenz getragen wird. Wenn wir beginnen, einander nicht als "funktionierende" Teile eines Systems zu sehen, sondern als fühlende, verletzliche und kraftvolle Wesen, entsteht Raum für wahre Heilung - und ein authentisches Miteinander.

Es braucht nicht mehr Härte, nicht mehr Druck – sondern die Erlaubnis, menschlich zu sein. Wenn wir lernen, uns selbst und anderen mit Verständnis zu begegnen, können wir die Mauern der Konditionierung Stück für Stück durchbrechen und damit auch das alte System abbauen, indem wir es nicht mehr länger bedienen.

Ich fordere uns heraus, uns einer neuen SANFTHEIT im Umgang miteinander zu öffnen und der erste Schritt in Richtung der Neuen Zeit könnte sein, dass wir unsere Perspektive ändern, wenn wir mit Menschen sind, die mit Symptomen kämpfen. Statt zu denken, oder sie zu fragen:
Was stimmt denn mit dir nicht? zu fragen:

Was ist dir passiert, dass dir das so schwer fällt?

... und dann schauen, was geschieht, wenn Sanftheit Mauern einreißt ...