Vom Fühlen und Hinschauen

19.04.2024

Wenn ich eines in drei Monaten Trauma Release Work gelernt habe, dann ist es, alles in meiner Macht zu tun, mir niemals wieder meine Gefühle oder meine Wahrnehmungen absprechen zu lassen.

Verena König schreibt es auf der Rückseite ihres Buches: Alles, was Du fühlst macht Sinn.

Als ich das im Januar zum ersten Mal las, rührte es mich total an. Ich verstand es … mit dem Kopf. Nach vielen Wochen gezieltem Hinschauen und verknüpfen der frühen Ereignisse mit den daraus entstandenen Prägungen, Kompensationsmechanismen und späteren Verhalten im Leben kann ich es fühlen … im Körper, im Gewebe, in der Muskulatur. Unterstützend wirken hier sicher die somatischen Übungen, doch am meisten brachte das Aufarbeiten der eigenen Biografie Klarheit.

Unser Körper ist das feinste aller Messinstrumente und jede noch so kleine Regung in ihm ist ein Versuch der Seele, mit uns zu kommunizieren. Die Wut, die Trauer, die Hoffnungslosigkeit, etc. die sich nach einem Telefonat mit der Freundin oder Mutter einstellt sind ein Hinweis, der uns auf die Fährte unserer eigenen Wahrhaftigkeit - zu unserer eigenen Essenz hin - führen möchte.

Mit meinem jetzigen Wissen verstehe ich im Rückblick meine Gefühle und Reaktionen mit großer Klarheit und empfinde tiefe Trauer darüber, mit wie viel Härte und Gnadenlosigkeit ich mir in den entsprechenden Situationen diese absprechen wollte, weil ich meinte, sie wären nicht angebracht und - was fast noch schlimmer ist - nicht spirituell genug.

Wir sind meist anders, als wir wahrhaftig sind - ohne es zu merken

Eine Folge der Inkarnation in diesem MatrixSystem ist es, dass wir schon früh lernen, wie wir sein und was wir denken sollen. In seinem Buch "Trapped in the Mirror" (Gefangen im Spiegel), von dem es leider keine deutsche Übersetzung gibt, beschreibt der Psychologe Elon Gumb die fatalen Folgen von einer "Erziehung" durch narzisstisch geprägte Elternteile.

Hier wird dem Kind schon sehr früh die Möglichkeit genommen, eine Beziehung zu seinem Selbst aufzubauen und so formt sich eine Ego-Identität, die darauf ausgerichtet ist, äußere Erwartungen zu erfüllen, und zwar auf allen Ebenen des Seins - im Denken, Aussehen, Handeln, ja sogar, im Fühlen.

Schauen wir uns die Geisteshaltung und das kulturelle Erbe der deutschen Nachkriegsgeneration an, der wir angehören, so braucht es nicht einmal die extra Dosis Narzissmus in der Rezeptur, um sagen zu können, dass diese Art des Heranwachsen auf viele von uns zugetroffen hat.

Leider lernen wir schon früh - mehr oder minder stark ausgeprägt - die Bedürfnisse unseres Umfeldes zu stillen und die Erwartungen des Kollektivs zu erfüllen, und unsere Reaktion darauf, wie wir eigentlich sein sollten aber nicht sind (!) verursacht einen tiefen Konflikt in unserem Inneren.

Die daran gekoppelten Emotionen nennt man Trauma. Sie bleiben in unseren Zellen, Muskeln, Faszien stecken und dürfen erlöst werden. Und im Prozess der Erlösung treffen wir dann auf genau diese Prägungen, denn nun zeigt sich deutlich, wie wir mit uns selbst umgehen.

Unser Maß an SelbstLiebe spiegelt unsere Kindheit wider

Die Art und Weise, wie wir mit uns selbst umgehen ist ein Spiegelbild dessen, wie in der Kindheit mit uns umgegangen wurde. Was dies im Zusammenhang mit der weitläufig vorherrschenden Glaubensinhalte im NachkriegsDeutschland bedeutet muss ich sicher nicht explizit erklären. Man braucht nur auf die "typisch deutschen Eigenschaften" zu schauen, die von Disziplin, Strenge, Resistenz und Härte geprägt sind.

Richtig spannend wird es dann, wenn eine spirituelle Lehre dazukommt, die suggeriert, nicht in der Vergangenheit zu wühlen und stattdessen die Geisteskraft einzusetzen, um sich über alle niederen Bedürfnisse zu erheben und so ein neues Leben zu erschaffen. Hier bekommt die Aufforderung aus der Kindheit, mich nicht so anzustellen, eine ganz neue Dimension.

Materie wird aus dem Geist geboren, und der Weg hin zum GottMensch beinhaltet, dass wir lernen, mit unserer Geisteskraft Materie zu verändern und zu bewegen - auch unseren Körper - doch das heisst nicht automatisch, dass Gefühle mit Gedanken überschrieben und Emotionen übergangen werden sollten.

Das hat selbst Joe Dispenza verstanden nachdem ihm einige Jahre lang die Veteranen seiner Methode scharenweise weggelaufen sind (darunter auch ich), denn seit vergangenem Jahr bindet er nun das Herz und die Herzkohärenz in seine Meditationen mit ein und lehrt dabei, tiefer zu fühlen und Emotionen im Feld zu transformieren.

Bewusstes Hinschauen bringt Klarheit und SelbstLiebe

Für mich persönlich ist aus dem bewussten Hinschauen auf meine in der Kindheit entstandenen Prägungen und der daraus resultierenden neuen Sichtweise auf meine eigene Biografie enorm viel Klarheit entstanden, die mich in eine merkliche Bewusstseinserweiterung geführt hat.

Vor allem aber habe ich ein ganz neues Verhältnis zu mir selbst entwickelt. Aus dem Mitgefühl für das Kind von damals erwächst eine SelbstLiebe, die sich stetig vertieft. Diese geht Hand in Hand mit einem neuen Respekt für mein eigenes Inneres, für meine mentalen, emotionalen und auch körperlichen Anteile.

Jedes Mal, wenn ich mir vor Augen führe was ich über die Jahre hinweg in einzelnen Situationen gefühlt habe, fühle ich eine tiefe Ehrfurcht in mir vor dem, was SufiMeister als "wahrhaftig Mensch sein" bezeichnen.

Meine Message mit diesem Post ist, dass ich uns alle anhalten möchte, uns niemals wieder unsere Wahrnehmungen absprechen zu lassen und uns 100%ig darauf zu verlassen, was in uns ist. Wir mögen teilweise verlernt haben, die Sprache unseres Inneren (Körpers) richtig zu verstehen, doch die tiefgreifende Weisheit, die in uns liegt hilft uns auch da, denn sind wir mal ehrlich…

Niemand hat uns bei unserer Geburt das "Handbuch zum Leben auf der Erde" überreicht und gesagt, "Hier hast Du die Betriebsanleitung für den Job, der dir bevorsteht".

Dann ist es halt so, und wir finden es heraus indem wir den Weg gehen.

Der SeelenWeg ist die Brücke, die in den Aufstieg führt

Im besten Fall gehen wir den Weg der Seele und nicht den Weg des Egos, nicht weil letzterer schlecht ist, sondern weil er einen Umweg in der Evolution unserer Seele darstellt.

Mehr denn je zuvor ist für mich klar, dass wir zum Gehen des Seelenwegs unser Licht brauchen. Wie sonst sollen wir den Pfad vor uns sehen? Im Dunkeln tappt sich schlecht, somit ist unser Scheinwerfer (also, unser Bewusstsein) gefragt, der uns den Weg erhellt. Wenn wir uns dabei ab und zu umdrehen, um zu schauen, wie weit wir schon gegangen sind und darüber reflektieren, was wir alles schon erlebt haben, dann gibt es uns dies die Möglichkeit, unsere Reise vollumfassender zu verstehen.

Dies bringt mich zum zweiten Anlass dieses Beitrags, dem bewussten Hinschauen.

Immer wieder begegnet mir die Suggestion, dass meine Energie auf etwas zu lenken dieses Etwas aufbläht, verstärkt oder gar ermächtigt - und das ist aus Sicht mancher etwas schlechtes.

In etwa so: Energie folgt der Aufmerksamkeit … deshalb, achte darauf, wo Du deine Aufmerksamkeit hinlegst, damit Du nicht das Negative unnötig verstärkst.

Mal abgesehen davon, dass dies ein vollkommen auf Angst basierender Gedankenansatz ist, der dem Menschen suggeriert, dass etwas Negatives Macht über ihn haben könnte, stehen dieser "Lehre" Inhalte entgegen, die Meister und Eingeweihte seit Jahrtausenden lehren, z.B.:

  • Grundlage der Schattenarbeit in Jungs psychoanalytischem Ansatz zur Individuation ist das bewusste Hinschauen und Beleuchten des Schattens.
  • Eckhart Tolle lehrt ähnliches wie Jung und sagt, dass das sich bewusst machen des Schmerzkörpers alleine diesen erlösen kann.
  • Die alten Weisheitslehren sprachen vom Scheinwerfer der Aufmerksamkeit, dessen Klarheit die Macht zur Transformation besitzt, und die Sufis (wie im gestrigen Post verankert) lehren seit tausenden von Jahren die Praktik des "bewussten Bezeugens".

  • In Kapitel 4 von "The Divided Mind" spricht der Autor, Dr. John Sarno, über die Behandlung von psychosomatischen Krankheiten und er sagt, die einzigen Fälle wo seine Behandlungen nicht erfolgreich waren, waren bei Patienten, die nicht willens waren, sich die eigentliche Ursache einzugestehen. Patienten, die zu viel Angst hatten, sich die genaue Entstehungsgeschichte eines Symptoms bewusst zu machen, konnte er nicht helfen. Dahingegen erfuhren Menschen, die lediglich seine Bücher lasen, Spontanheilungen, weil ihnen beim Lesen die tieferen Zusammenhänge ihrer psychosomatischen Störungen bewusst wurden.
  • Im Sufismus wird seit tausenden von Jahren gelehrt, dass das bewusst Bezeugen von Situationen die Macht hat, diese zu verändern. 


Was wir verändern möchten, müssen wir anschauen. Es ist schließlich unser Bewusstsein, das Licht ins Dunkel bringt und etwas erleuchtet und es dadurch transformiert. 

Kraft seines bewussten Bezeugens, seines klaren Bewusstseins kann der Mensch Dinge verändern, und wie schon im ersten Teil dieses Beitrags erläutert, Materie verändern und sogar erzeugen.


So ist es. Und so wird es immer sein. 



Daran ändert auch die verzerrte Interpretation eines universellen Gesetzes nichts. Welche Kräfte dahinter stehen mögen, den vermeintlich Erwachten unter uns etwas anderes zu suggerieren, darf jede:r für sich selbst erörtern…